2003 - DIE 2. EUROPAISCHE QUILT-TRIENNALE, TEXTILMUSEUM MAX BERK

Textilmuseum Max Berk

Kurpfälzisches Museum Heidelberg

Katalog

2003 AUF DER SUCHE NACH NEUEN WEGEN - EINE STANDORTBESTIMMUNG AUS DER SICHT DES VERANSTALTERS

Kristine Scherer

Nach dem vielversprechenden Start der Europäischen Quilt- Triennale im Jahr 2000 hat sich der Wettbewerb der 2. Triennale verhaltener angelassen. Anstelle der 327 Teilnehmer/innen aus 24 Nationen mit insgesamt 457 eingereichten Arbeiten bewarben sich diesmal nur 172 Quilter/innen aus 18 Nationen, und dies mit insgesamt 229 Arbeiten. Dieser Rückgang mag mehrere Ursachen haben:

1. die hohe künstlerische Zielsetzung des Wettbewerbs, die vor der ersten Triennale im Jahr 2000 noch nicht so offensichtlich gewesen sein mag, aufgrund dessen sich seinerzeit noch viele traditionelle Quilter/ innen beworben hatten.

2. die gleichzeitige Bewerbungsfrist für die Triennale und den Wettbewerb "Tradition & Moderne VI" der deutschen Patchworkgilde.

3. zu hohe Bankgebühren im grenz-überschreitenden Zahlungsverkehr im Hinblick auf die Teilnahmegebühr
4. der ungünstige Einsendeschluss zum Jahreswechsel.

5. die stetig zunehmenden Ausstellungs- und Wettbewerbsaktivitäten auf dem deutschen und vor allem auf dem internationalen Patchworksektor, die mit Sicherheit zu begrüßen sind, aber auch nachdenklich stimmen. Als die Vorläuferin der Europäischen Quilt- Triennale, die Deutsche Quilt-Biennale, 1984 vom Textilmuseum Max Berk und insbesondere von Doris Winter ins Leben gerufen wurde, glich dies nahezu einer Pionierleistung.Die Quilterinnen waren noch nicht in einer Gilde organisiert und erhielten durch diesen Wettbewerb ein Forum, um Kontakt zu knüpfen, sich miteinander messen und somit weiter-entwickeln zu können. Zielsetzung dieses Wettbewerbs war es also einerseits, erstmals einen Überblick Über die deutsche Quiltszene zu vermitteln und andererseits neue Impulse zu geben. Naturgemäß waren die seinerzeit ausgestellten Quilts noch sehr den traditionellen amerikanischen Quilts verpflichtet. Sehr bald jedoch wandelte sich das Erscheinungsbild der Biennale, deren Name zu einem Garant für künstlerische Qualität und innovativen Umgang mit Techniken und Materialien des Patchworkquilts wurde. Erfreulicherweise hat sich in den knapp Jahren seit Bestehen der Quilt-Biennale bzw. Triennale vieles auf diesem Sektor getan, aber gleichzeitige Bewerbungsfristen und Ausstellungs-termine verschiedener anderer Veranstalter lassen eine gewisse Konkurrenzsituation entstehen. Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten scheint es daher angebracht, Über eine Zusammenlegung der wichtigen europäischen Wettbewerbe und Ausstellungen nachzudenken. Dies würde es ermöglichen, Kräfte zu bündeln, und zwar in finanzieller wie auch organisatorischer Sicht. Bleibt darüber hinaus festzustellen, dass beklagenswert wenig Einsendungen den Veranstalter aus osteuropäisehen Ländern erreichten, was sicherlich auf finanzielle Probleme zurückzuführen sein dürfte.

Der Rückgang der Bewerbungen um nahezu 50% hatte nicht zwangsläufig eine Qualitätsminderung zur Folge, wie die Ausstellung beweist. Ca. ein Drittel der Quilter/innen besitzt einen professionellen künstlerischen Background und ist - wie das Gros aller Ausstellerinnen in der Patchworkszene fest etabliert. Ein wenig zu bedauern ist das Fehlen von Newcomern und jungen Quiltern/innen, aber immerhin ist an der diesjährigen Triennale mit Andreas Grigoleit (D) wieder ein Mann beteiligt. Als freischaffender Künstler benutzt er wie Rosie Francis (GB) oder Tiziana Tateo (I) die Malerei auf Stoff als bildnerisches Medium, wobei die Resultate unterschiedlicher nicht hätten ausfallen können. Eine selbstverständliche Rolle spielen auf dem Quiltsektor inzwischen Drucktechniken wie Monotypie und Siebdruck; hier sind besonders die Arbeiten von Agnès Bockel (F), Gisela Hafer und Beate Ruberg (D) zu erwähnen. Computerdruck und Fototransfertechnik haben heute ebenfalls einen festen Platz und finden sich z.B. bei dem Quilt von Dirkje van der Horst-Beetsma (NL). Das Färben von Stoffen muss heutzutage nicht mehr eigens hervorgehoben werden, es ist im Großen und Ganzen zur Selbstverständlichkeit geworden. Einen innovativen Umgang beweist hierin - und dies seit Jahren in gleichbleibender Qualität – Ursula Gerber-Senger (CH), die industrielle Metallgewebe durch Oxidationsverfahren färbt. Der Trend zum Entfärben von Stoffen, der sich die bei der I. Triennale abgezeichnet hatte, setzt sich in den Arbeiten von Tiziana Tateo (I) sowie Anne Woringer (F) fort, steht hierbei aber nicht mehr so sehr im Vordergrund. Bei einer kleinen Gruppe der ausgewählten Quilts liegt das besondere Augenmerk auf der Oberflächengestaltung durch Maschinen- und Handstickerei sowie Applikationstechnik. Zwei der drei preisgekrönten Arbeiten gehören dieser Gruppe an: Die durch Maschinen- und Handstickerei sowie Tüllapplikationen verzierte Oberfläche des mit dem I. Preis ausgezeichneten Quilts "Mimiquilt ll:Ancestral Shadow" von Mirjam Pet-Jacobs (NL) bildet die Hintergrundfolie für drei archaische Gestalten, die sich aus ihrem Schattendasein lösen (s. Textilforum 2/2003, S. 19). Die Arbeit "Red Bole ll"von Karen Fleming (GB), die hierfür den 2. Preis erhielt, lebt von der Vergoldung und anschließenden Verzierung eines roten Flanellstoffes durch Biesen, Hand- und Maschinenstickerei. Typografische Elemente spielen im Vergleich zur I. Triennale eine bedeutendere Rolle. Zwar ist die Anzahl der Arbeiten mit Schriftzügen als integraler Bestandteil vergleichbar, jedoch werden diese bei den Quilts gewichtiger in Szene gesetzt und dadurch zum Bedeutungsträger, wie z.B. bei Cécile Trentini (CH) oder Friderun Heil (D), die mit dem 3. Preis bedacht wurde. Auffallend viele Arbeiten befassen sich mit zeitrelevanten Themen wie der Suche nach der eigenen Identität, der Isolation des einzelnen Menschen in der anonymen Masse, Gewalt durch Krieg und Terror, Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins, Umweltverschmutzung und dem heutigen Zeitbegriff. Nicht zu vernachlässigen ist die Gruppe derjenigen Arbeiten, die einfach aus Freude am Umgang und dem Spiel mit Stoffen, Farben und Formen entstanden sind und einen eher heiteren Charakter besitzen, wie z.B. die Quilts von Jane Lloyd (GB), Cosabeth Parriaud (F) oder Heide Stoll-Weber (D). Einen weitereren Trend der diesjährigen Triennale bildet die Verarbeitung von Portraits, wie beispielsweise bei Brigitte Perzl- Reinhard (D): Diese Arbeit ist auch wegen des modellierenden Charakters des Quiltings erwähnenswert, der im Gesamterseheinungsbild der Triennale hinter dem oberflächenverzierenden Effekt des Quiltings und Stickens eher zurücktritt. Den Schritt zur Dreidimensionalität wagt einzig und allein Radka Horbaczewska (PL), die wie bereits bei der I. Triennale ausschließlich Jeansstoffe und Jeans-Reißverschlüsse verwendet. Resümierend lässt sich die künstlerisch solide Qualität der ausgewählten Quilts festhalten, aufgrund derer sich ein Besuch der Ausstellung auf jeden Fall lohnt. Überraschend innovative Arbeiten sind unter den Ausstellungsstücken allerdings nicht zu finden.


Zur Autorin
Dr. Kristine Scherer ist die Kuratorin der Textilsammlung
Max Berk am Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg.
© TEXTILFORUM 3/2003